Holzklasse statt Champions-League: Wie die Forest Green Rovers den Profifußball revolutionieren
Profisport und Nachhaltigkeit – diese Begriffe scheinen selbst im Jahr 2022 noch weit voneinander entfernt. Nicht so bei den Forest Green Rovers. Der englische Fußballklub spielt zwar sportlich (noch) nicht in der ersten Liga, in Sachen Nachhaltigkeit dafür umso mehr: Als neuestes Projekt bauen die „Green Devils“ jetzt ein reines Holzstadion.
Forest Green Rovers Eco Park Stadion – Zaha Hadid Architects
Die Architektin Zaha Hadid hat sich weltweit einen großen Namen gemacht. Als erste Frau überhaupt erhielt sie unter anderem im Jahr 2004 den Pritzker-Architektur-Preis. Aber auch nach dem Tod der Irakerin arbeitet ihr Büro „Zaha Hadid Architects“ (ZHA) weiter an ihrem Vermächtnis. Eines der neuesten Projekte wird nun sogar zu einem Meilenstein in der Geschichte des Holzbaus: ein Fußballstadion komplett aus Holz. Die neu entworfene Arena trägt die typische Handschrift des Unternehmens: futuristisch, fulminant und filigran. Doch das außergewöhnliche Konzept, das bei Zaha Hadid Architects für gewöhnlich in gigantischen Betonbauten oder Wolkenkratzern verwirklicht wird, betritt mit dem „Eco Park“ erstmals architektonisches Neuland. Der Auftraggeber? Der Forest Green Rovers FC, ein Fußball-Klub aus der vierten englischen Liga.
Der nachhaltigste Klub der Welt
Doch von vorn: Wer sind überhaupt der Forest Green Rovers? Schließlich trägt der „grünste“ Fußballverein der Welt sein Motto bereits im Namen. Das Team aus der 6.000-Einwohner-Gemeinde Nailsworth, das in der vierten Liga an den Start geht, ist vom Weltverband FIFA offiziell als „umweltfreundlichster Fußballverein“ anerkannt worden. Bereits im Jahr 2018 erklärten sogar die Vereinten Nationen die Green Rovers als klimaneutral. Grund dafür ist das hohe Engagement des Klubs in Sachen Klima und Nachhaltigkeit.
Vor einigen Monate sorgte der Provinzklub für Aufsehen, als er nochmals ganz neue Maßstäbe setzte, was die Bekleidung seiner Spieler angeht: Denn statt in den bisherigen Trikots – aus Bambus gefertigt – lief die Mannschaft in einem hochmodernen Dress auf, das aus übrig gebliebenen Kaffeesätzen und recyceltem Plastik hergestellt wurde. Der neue Prototyp, selbstverständlich in der „gesunden“ Vereinsfarbe grün gehalten, sei laut Vereinsangaben um einiges atmungsaktiver und beständiger als die bisherige Bambus-Variante – und macht darüber hinaus sogar auch optisch einiges her.
Kompensationszahlungen an den UN-Klimafonds
Für die Fans der Green Rovers jedenfalls dürften Maßnahmen wie diese nach dem Motto „nachhaltiger und umweltfreundlicher“ nichts Neues sein. Im Stadion der „Green Devils“ beispielsweise werden schon lange keine tierischen Produkte mehr serviert. Stattdessen gibt es vegane Teigtaschen, veganen Kuchen aus Quorn, Veggie-Burger und jede Menge Bio-Bier aus kompostierbaren Bechern. Doch weil Fußball-Fans – gerade im Herkunftsland Großbritannien – viel mit Tradition verbinden und wenig von vermeintlichen Modeerscheinungen halten, erlaubt der Klub seinen Anhängern, ihr eigenes Essen mitzubringen, sollten sie mit dem veganen Angebot unzufrieden sein. Davon wird mittlerweile allerdings kaum noch Gebrauch gemacht. Ganz im Gegenteil: Die Anhänger schwärmen inzwischen von der neuen „Speisekarte“ und die Imbissstände machen viermal so viel Umsatz wie früher.
Als wäre das nicht schon genug Einsatz zugunsten des ökologischen Fußabdrucks setzen die Rovers bei ihrem Rasen zudem auf eine Pflege mit Seetang statt Pestiziden, der Mähroboter fährt solargetrieben und aus der Sprinkleranlage spritzt gespeichertes Regenwasser. Darüber hinaus wird die gesamte Energieversorgung des Vereins, die ausschließlich auf Ökostrom basiert, zu knapp einem Viertel von den Solarzellen auf dem Stadiondach geliefert. Folgerichtig sind auch sämtliche Mitarbeiter der Geschäftsstelle, Hilfsangestellte sowie die Spieler dazu angehalten, sich – zumindest im Dienst – vegan zu ernähren und Elektroautos zu fahren. Für genügend Ladestationen ist auf dem Gelände der „Green Devils“ jedenfalls gesorgt. Und für Fahrzeuge, zu denen noch keine elektrische Alternative verfügbar ist, gibt es eine Zapfsäule mit Biobenzin – selbstverständlich aus recyceltem Frittenfett der Stadionkantine.
Wenn die Mannschaft zu Auswärtsspielen unterwegs ist, soll sie künftig mit einem Elektrobus fahren. Das dies allerdings momentan noch nicht möglich ist, kompensiert der Verein die Emissionen, die durch die Busfahrten anfallen, indem er in den UN-Klimafonds einzahlt.
Klares Statement gegen den Klimawandel
Doch weil das dem Visionär des Klubs, dem Vorstandsvorsitzenden und Besitzer Dane Vince, noch immer nicht genug ist, hat er nun das neue Stadion für seine „Green Devils“ in Planung gegeben: Die erste komplett aus Holz gebaute Fußball-Arena der Welt namens „Eco Park“. In rund vier Jahren soll die neue Heimstätte mit einer Kapazität von 5.000 Plätzen fertig gebaut sein. Das Dach des Stadions soll zudem eine transparente Membran überspannen, damit sich das Stadion optisch filigran in die umgebende Landschaft einfügen kann. Gleichzeitig jedoch ermöglicht diese Membran ein besseres Wachstum des Fußballrasens und verhindert, dass irritierende Schatten auf das Spielfeld geworfen werden können.
Die Energieproduktion für den Betrieb des Stadions erfolgt direkt vor Ort, insgesamt soll das ganze Projekt nicht nur carbon-neutral, sondern carbon-negativ sein. Und der Brandschutz? Beschichtete Bauhölzer sowie schwer entflammbares Brettschichtholz sorgen dafür, dass die neue Arena nicht so schnell in Flammen aufgeht: Sicherheit gehört neben der Nachhaltigkeit schließlich zweifellos zu den wichtigsten Faktoren beim Bau eines öffentlichen Gebäudes wie diesem.
Außerdem sollen rund um das Stadion 500 Bäume gepflanzt werden, die Biodiversität erhöhen weitere Hecken auf dem Gelände. Die Liga hat dem Vorhaben bereits zugestimmt. „Wir werden den geringsten CO2-Abdruck aller Stadien haben, seit die Römer den Beton erfunden haben”, wird Vince in der offiziellen Vereinsmeldung zitiert. Holz als natürlicher Werkstoff habe einen kleinen ökologischen Fußabdruck, „so klein, wie er für ein Baumaterial nur sein kann.“ Auch seine Hoffnung, mit den Forest Green Rovers ein großes Zeichen gegen den Klimawandel zu setzen, begründet der 60-Jährige zuversichtlich: „Sportfans sind leidenschaftlich. Diese Leidenschaft wollen wir nutzen und in Richtung Umweltbewusstsein lenken. Das Engagement dieser Fans könnte die Welt verändern.”
Der Multi-Millionär rettete die Rovers 2010 vor der Insolvenz und krempelte den Verein anschließend um. Der Brite, der seinen Reichtum dem Windenergie-Unternehmen Ecotricity zu verdanken hat, verpasste dem Klub neue Farben und ein neues, grünes Image. Nachdem sich der Klub seit seiner Gründung 1889 in den Niederungen des englischen Amateurfußballs tummelte, folgte 2017 erstmals der Aufstieg in die vierte englische Liga – und somit der Sprung in den Profifußball. Die Erfolgsgeschichte ist aber offensichtlich noch nicht zu Ende erzählt: Denn aufgrund ihrer guten Leistungen in der laufenden Saison stehen die Green Rovers kurz vor dem Aufstieg in die dritte Liga. Nachhaltigkeit scheint also durchaus zum Erfolg zu führen.